Text von 1858

Fette zum Küchengebrauch

Von der passenden Anwendung des verschiedenartigen Fettes

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In Haushaltungen. wo man nicht nur darauf bedacht ist, fein zu kochen, sondern mit einer guten Zubereitung auch Wirtschaftlichkeit zu verbinden sucht, kann neben anderen Ersparnissen auch beim Gebrauch der Butter ökonomisiert werden. Ferner kann verschiedenartiges Fett als Nierenfett, Schweineschmalz, Putergänse- und Entenfett, Öl, Suppen-, Rauchfleisch-, Schinken- und Hammelfett zweckmäßig angewendet werden, was alles sowohl in Haushaltungen wo man einschlachtet als auch in solchen Küchen, wo auf andere Weise für Abwechselung der Fleischspeisen gesorgt wird, vorkommt.

Da aber ein unpassender Gebrauch der Fettsorten die damit zubereiteten Speisen ganz und gar unschmackhaft ja widerlich macht, so möchte es noch wenig Geübten angenehm sein, hier eine Angabe über die passende Anwendung des verschiedenartigen Fettes zu finden:

Gute Butter gibt selbstredend den meisten Speisen den feinsten Geschmack, ist aber auch, besonders frisch gebraucht, das teuerste Fett. Es wird daher dem haushälterischen Sinne angemessen sein, auf eine vernünftige Weise darin zu sparen und Ersatzmittel zu Hülfe zu nehmen. Zwar steht in manchen Gegenden die Butter in nicht höherem Preise als gutes Nierenfett und Schmalz, doch bringt der Gebrauch der beiden letzteren dadurch Vorteil, dass bedeutend weniger davon erforderlich ist, nur vermeide man altes Fett anzuwenden, es verdirbt die Speisen und schadet der Gesundheit.

Bei Gemüsen, wozu man Butter und Fett anwendet, tritt der Buttergeschmack stärker hervor, wenn man das Gemüse mit Fett kocht und kurz vor dem Anrichten die bestimmte Butter in Stückchen zerteilt auf das Gemüse legt und dieses vorsichtig, damit es nicht breiartig werde, umrührt. Es möge nun zuerst von dem passenden Fette zu Fleischspeisen die Rede sein, wobei ich bemerke, dass es der Gesundheit sehr nachteilig ist, gebratenes Fett nochmals zum Braten anzuwenden, zum Kochen ist es jedoch sehr gut.

  • Zu Roastbeef oder Ochsenbraten, nach englischer Weise zubereitet, ist frisches, zu Würfeln geschnittenes Nierenfett selbst der Butter vorzuziehen. Das darin gebratene Fleisch wird ungleich milder und saftiger und die Sauce, von der man beim Anrichten größtenteils das Fett entfernt, erhält einen kräftigen und angenehmen Geschmack und liefert einen guten Extrakt zu Kraftsuppen. Zugleich wird das Fett so sehr verbessert, dass man solches statt Butter zu allen gewöhnlichen Gemüsen anwenden kann. Überhaupt ist frisches, fein gewürfeltes Nierenfett, zum Braten wie zum Kochen dem ausgebratenen Nierenfette vorzuziehen.
  • Kalbsbraten erhält in reichlich Butter gebraten den feinsten Geschmack, besonders auch die Sauce, indess kann man recht gut zur Ersparnis der Butter einige Scheiben oder zu Würfeln geschnittenen guten Speck, welcher keinen starken Rauchgeschmack hat, darunter und darüber hin legen, auch je nach dem man damit versehen ist. Zwei Teile Butter und ein Teil reinschmeckendes Schweineschmalz zusammen in der Bratenpfanne kochen lassen, bevor der Braten hineingelegt wird.
  • Reh- und Hirsch-Braten kann man sehr gut mit halb Butter halb Speck zubereiten, zu
  • Hafenbraten aber wende man möglichst nur Butter an
  • Bei Hammelbraten lässt sich die Hälfte der Butter durch Speckwürfel ersetzen. Puter und Kapaune werden saftiger und können beim Braten heller erhalten werden, wenn Speckscheiben darunter gelegt und auf die Brust gebunden werden. Kücken, junge Hahnen, Enten und Tauben erfordern reichlich Butter, ist man genötigt, darin zu ökonomisieren, so lege man die beiden ersteren auf einige Speckscheiben, wodurch weniger Butter nötig ist. Zugleich können sie hierdurch im Braten ohne besondere Aufmerksamkeit heller erhalten werden, was den Wohlgeschmack des Geflügels erhöht.
  • Zu Krammetsvögeln, Beefsteaks und gekochtem Fisch gehört ohne Weiteres reichlich Butter, in kritischen Fällen kann man zu den beiden ersteren etwas frisches, fein gehacktes Nierenfett mit Butter verbinden.
  • Bei Frikassee’s ist die Butter nicht zu entbehren. Frikadellen von rohem Fleisch und Kalbsleber sind in Butter gebraten am wohlschmeckendsten, doch kann bei ersteren die Butter mit frischem Nierenfett, bei letzterem mit langsam ausgelassenem Speck stehen (siehe A Nr 61) oder auch Schweineschmalz vermischt werden.
  • Zum Braunmachen eines Sauerbratens oder frischen Rinderbratens ist Nierenfett anzuwenden, besonders gut ist auch dazu das Fett, wozu die Anweisung Ende dieses Abschnitts gegeben ist. Eine Gans wird in ihrem eigenen Fette gebraten und paßt solches (so wie auch Puterfett) ganz vorzüglich zu grünem und braunem Winterkohl. Nur muss die Gans, so wie der Puter, nicht zu stark gebraten werden, das starke Braten verdirbt das Fett und macht das Fleisch trocken und unschmackhaft. Das ausgebratene sogenannte Flaumfett der Gans (wie es in den Vorbereitungsregeln Nr 60 nachzusehen ist, wird in einigen Gegenden im Winter teils zur Ersparung des Baumöls, teils des Wohlgeschmacks wegen, geschmolzen zu Kartoffelsalat angewendet, es gehört jedoch in letzterem Fall dazu ein nicht verwöhnter oder wenigstens ein daran gewöhnter Geschmack. Auch wird wohl eine warme Specksauce zu Kartoffelsalat genommen.
  • Was nun die Gemüse betrifft, so ist zu Scorzoneren, Rosenkohl, Spargel, Spinat, jungem Rübstiel,  jungen Erbsen, frischen Wurzeln, Möhren und jungem Kohlrabi gute Butter nicht wohl zu entbehren. Wo man wegen Mangel an derselben genötigt ist, Fett mit anzuwenden, da nehme man zu den beiden letzteren Gemüsen halb Butter halb gutes Nierenfett oder halb Butter halb dicken Luftspeck, welcher zu kleinen Würfeln geschnitten, sehr fein gehackt und roh mit Butter vermischt wird. Zu rotem Kohl ist Butter am besten, doch auch das Fett einer gebratenen Ente, einer Bratwurst, auch gutes Bratenfett mit Butter vermischt sehr passend. Frisches klein Gehacktes sowie auch gut ausgebratenes Nierenfett ist zu Wurzeln, gelben Möhren, weißen Rüben, Steckrüben (Kohlrabi, in der Erde), Vietsbohnen, frischem Kappus, weißer Kohl und Kartoffelsuppe passend und ist es gut kurz vor dem Anrichten ein Stückchen Butter in Mehl gewickelt durchzukochen.  Suppenfett kann bei späterem Hinzugeben von etwas Butter gleichfalls zu Kappus, Rüben, Wurzeln,  Steckrüben angewendet werden.
  • In manchen Haushaltungen auf dem Lande wird Rüböl zugleich für die Küche verwandt und ist dies keineswegs zu verwerfen, nur muss das Öl zu diesem Zweck ausgeglühet werden. Das Nähere darüber ist in A Vorbereitungsregeln Nr 29 bemerkt worden. Hätte man aber das erstgewonnene Öl (Jungfernöl genannt) unvermischt erhalten, so würde, da solches klar und reinschmeckend ist, das Ausglühen unnötig sein. Beim Küchengebrauch des gewöhnlichen Rüböls ist es am zweckmäßigsten, dasselbe nachdem es abgeglüht und etwas erkaltet ist, Butter oder Schmalz – von jeder Sorte 1 Pfund – zusammen zu schmelzen, und passt dasselbe dann für einen gewöhnlichen Tisch zum Kochen aller Gemüse, zu Kartoffel- und Mehl-Pfannkuchen, zum Braten der Kartoffeln, auch zu Zwiebelsauce über Kartoffeln.
  • Sauerkraut (eingemachter Kohl) ist mit halb Butter, halb hell ausgebratenem Speck oder in dessen Ermangelung mit einem Zusatz von Schmalz gekocht zu empfehlen. Zu Sauerkraut für den Dienstboten-Tisch ohne Fleisch gekocht kann ein Guß Rüböl und Schmalz in kaltem Wasser auf’s Feuer gesetzt dazu angewendet werden, ebenso ausgebratener Speck, welchen man vor dem Umrühren des Gemüses mit einigen roh geriebenen Kartoffeln eben durchkochen lässt.
    Soll Speck dazu gegeben werden, so mache ich zur Abwechselung auf das Verfahren aufmerksam, welches bei Rübstiel mit Kartoffeln für einen gewöhnlichen Tisch Nr 24 C Gemüse bemerkt worden.
    Die Fettsorten, welche bei Sauerkraut anzuwenden sind, passen auch zu den übrigen eingemachten Gemüsen. Zu Rübstiel, falls kein Fleisch darin gekocht worden, ist Nierenfett und etwas Butter sehr gut.
  • Gutes Schinken und Rauchfleischfett, nebst der Brühe, frisch und nicht zu salzig, kann zu Gersten- oder Graupensuppe, mit Kartoffeln- ,Erbsen- und Bohnensuppe verwendet werden. Im Sommer verdirbt dies Füllfett sehr bald, es ist also nötig, wenn solches nicht in den ersten zwei Tagen gebraucht wird, die Brühe ganz rein darunter wegzuschütten und das Fett gut durchkochen zu lassen.
  • Hammelfett, die schlechteste aller Fettsorten, ist schwierig anzuwenden und passt eigentlich nur zu Rüben, ist mehr davon vorrätig, so tut man wohl solches mit Öl und Schmalz zu kochen und zu gröberen Speisen zu benutzen. Übrigens ist, wo sehr viel Hammelfett vorkommt, zu raten, dasselbe zum Ziehen der Lichte zu verkaufen oder es selbst zu diesem Zweck zu verwenden.
  • Von kleinen Vorräten verschiedenen Fettes, wie sie besonders nach einem Gesellschaftsessen vorkommen, schmelze man die passenden Sorten zusammen und gebrauche sie nach ihrer Art. Das Ausbraten des Nierenfettes, wie es bei V Wurstmachen mitgeteilt worden ist, beim Einschlachten unvergleichlich, im Übrigen aber gebrauche man das Fett möglichst frisch. Man nehme für einen kleinen Haushalt ein, höchstens zwei Pfund. Je härter das Nierenfett, desto besser. Dasselbe wird zu einigen Stücken geschnitten, mit reichlich frischem Wasser an einem kalten Orte bis zum anderen Tage hingestellt, dann ganz fein gehackt und mit wenig Milch – zu einem Pfunde eine kleine Obertasse voll –  und einem gehäuften Teelöffel Salz auf gelindem Feuer so lange gekocht, bis das Fett ganz klar erscheint,  das dann nicht des Durchsiebens bedarf, sondern ohne Weiteres in ein Steintöpfchen gefüllt wird.
  • Jedes Fett muß, um es zu erhalten an einem kühlen luftigen Orte offen stehend oder mit einem durchstochenen Papier zugebunden aufbewahrt werden. Sollte Brühfett sich verändern, was leicht geschieht, wenn beim Abfüllen das Geringste von Brühe oder Sauce dazu gekommen ist, so würde ein Umschmelzen notwendig sein. Um Salatöl vor Starkwerden zu bewahren, gebe man zu einer Flasche Öl 2 – 3 Eßlöffel voll getrocknetes Kochsalz, schüttele es zuweilen durcheinander und stelle die Flasche offen stehend an einen kühlen Ort. Hierdurch verbessert es sich ungemein und wird vor Starkwerden bewahrt.

Dieses Rezept in:

(1858)

Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ von Henriette Davidis war der Kochbuchklassiker des 19. Jahrhunderts, nach ihrem Tode unter anderem von Luise Holle weiter geführt und mit etlichen Neuauflagen bis in die Neuzeit. Die ursprüngliche Ausgabe von 1844/45 wurde beständig verändert und erweitert auf über 700 Seiten: