Text von 1858

Das Kochen

Einleitung zum praktischen Kochbuch (1858)

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Das Kochen: es ist schon der Gesundheit wegen nicht als Nebensache zu betrachten. Jede Tochter – die höheren Stände nicht ausgeschlossen – sollte sich damit bekannt machen, um als Hausfrau selbst Hand ans Werk legen zu können oder wo die Verhältnisse das nicht erfordern, doch im Stande zu sein, die Küche zu kontrollieren, damit sie ihren Untergebenen nicht zu stark in die Hand falle.

Ein wesentliches Hülfsmittel zum guten und auch zum sparsameren Kochen ist ein zuverlässiges Kochbuch. Die junge unerfahrene Hausfrau, welche eine außergewöhnliche Speise bereiten will, wird sicherlich weit mehr als nötig ist an kostbaren Zutaten verbrauchen und oftmals misslungene Versuche teuer bezahlen müssen, was jedoch zu vermeiden sein wird wenn sie die Erfahrungen in einem guten Kochbuche benutzt. Zu diesem Zweck erlaube ich mir, die jungen Damen welche vorliegendes Buch als Leitfaden in der Küche wählen, schon in der Einleitung mit den notwendigen Anforderungen bekannt zu machen, die an eine aufmerksame Köchin und gute Hausfrau gestellt werden.

1) Reinlichkeit

Die erste um wohlschmeckend und fein zu kochen, ist Reinlichkeit, welche ich allen jungen Anfängerinnen freundlich anempfehle und die bei der ersten Gewöhnung mit Leichtigkeit sich einübt. Es gehört dazu Sauberkeit der Hände, Reinlichkeit der Küchengeräte, Anrichten und Tische, große Reinlichkeit im Waschen oder Spülen der Gemüse, sowie überhaupt in allem was zum Kochen gehört.

2) Sparsamkeit

Die zweite ist Sparsamkeit. Diese läßt sich sowohl bei feineren als auch bei den gewöhnlichen Speisen anwenden. Das Übermaß an Zucker, Butter und Gewürzen, macht die Speisen nicht wohlschmeckend, wohl aber benimmt es denselben das Feine und verdirbt manche gute Schüssel. Sparsamkeit besteht ferner im Benutzen aller Kleinigkeiten, sowie auch im zweckmäßigen Verwenden der Reste, die in andern Gestalten oft wieder angenehme Gerichte liefern.

3) Achtsamkeit

Die dritte ist Achtsamkeit und Überlegung, die darin besteht, die Speisen zur rechten Zeit weder zu früh noch zu spät aufs Feuer zu bringen. Die Größe der Töpfe muss mit den Portionen im Verhältniss stehen und ist dies ganz besonders bei den Fleischspeisen eine notwendige Bedingung. Wollte man z B ein kleines Schmorstück, ein Hühnchen, eine kleine Frikadelle oder etwas derartiges in einem Topfe von weiterem Umfang braten, so würde man schwerlich auf eine gute Zubereitung rechnen dürfen. Hinsichtlich der Wahl der Töpfe beim Kochen ist noch zu bemerken, dass man zu Hülsenfrüchten keine glasierten Kochgeschirre nehmen darf, indem solche darin nicht weich zu bringen sind. Sollte man noch nicht zum Besitz eines Sprungherdes gelangt sein, der an Bequemlichkeit alle bekannten Kochmaschinen übertrifft, so stelle man die Töpfe nicht tiefer ins Feuer als es die darin befindlichen Speisen erfordern, weil gerade dadurch, wenn auch übrigens die nötige Achtsamkeit angewandt würde, sowohl Suppen als Gemüse und Fleischspeisen einen Nebengeschmack erhalten. Das Feuer muss gehörig besorgt werden, so dass die Speisen gleichmäßig nicht zu stark doch auch nicht zu wenig kochen oder gar aus dem Kochen kommen, damit sie in ersterem Falle vor Anbrennen gesichert, in letzterem nicht ungar angerichtet werden müssen.

4) Überlegung

Die vierte, daß man ehe ein Gericht zu machen angefangen wird, die nötigen Erfordernisse heranholt, auch mit ruhiger Überlegung vorarbeitet, um zu vermeiden, daß die Arbeit später sich zu sehr häufe und man Zeit gewinne, auch auf das feine Anrichten dfer Speise die nötige Sorgfalt zu verwenden, indem oft die schmackhaftesten Gerichte durch unordentliches Anrichten ihren Wert verlieren.

Ferner ist es notwendig, während des Kochens für kochendes Wasser zu sorgen, um nötigenfalls kochendes Wasser zum Nachschütten zur Hand zu haben und auch zugleich beim Anrichten die Schüsseln, besonders die zu den Braten, damit erwärmen zu können. Durch das Erwärmen im Ofen verlieren solche ihre Weiße und es gibt der Glasur des ordinären Porzellans leicht kleine Risse. Die Bestandteile der vorkommenden Rezepte sind zwar so viel als möglich genau angegeben, doch bemühe man sich das Augenmaß, besonders bei allen Speisen, bei welchen kein Verhältnis angegeben werden kann, zu gebrauchen und zu beachten.

Auch sei man bei der Bereitung eines Gerichtes nicht ängstlich, wenn diese oder jene Würze fehlen möchte. Man kann die Gewürze nach Belieben anwenden, gerade so wie sie der Familie zusagen, doch richte man sich bei den Hauptsachen genau nach der Angabe. Vorsichtig sei man aber mit dem Würzen des Salzes und besonders des Pfeffers, der im Übermaß angewandt der Gesundheit sehr nachteilig sein soll. Das Gehörige will jede gelungene Speise haben, das Zuviel aber benimmt ihr das Natürliche.

Beim Ankauf der Lebensmittel wähle man womöglich die günstigste Zeit, wodurch dem Haushalt ein wesentlicher Vorteil zufließt. Zugleich sehe man auf eine gute Qualität, kaufe das Beste an Gemüsen, Fleisch, Federvieh, Butter und Mehl, und obgleich solches teurer bezahlt werden muss, so wird man doch beim Gebrauch finden, dass es immerhin billiger ist als die schlechtern, wohlfeiler bezahlten Lebensmittel und sicher werden sie auch der Gesundheit zuträglicher sein.

Man sei aber ebenso sparsam bei größeren als kleineren Vorräten, wodurch sonst der Vorteil des größeren Ankaufes verloren ginge, sei auch darauf bedacht, die Vorräte gehörig zu bewahren und von Zeit zu Zeit nachzusehen, damit nicht das Geringste verderbe und alles verständig angewandt werde. Endlich möchte ich noch freundlichst bitten, die Bemerkungen die den Hauptabschnitten vorangehen, nicht zu übersehen, da gerade diese Winke enthalten, durch welche beim Kochen Missgriffe, die oft aus Unkunde gemacht werden, selbst dann, wenn ein Rezept die Bestandteile richtig angibt, sicher verhütet werden können.


Dieses Rezept in:

(1858)

Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ von Henriette Davidis war der Kochbuchklassiker des 19. Jahrhunderts, nach ihrem Tode unter anderem von Luise Holle weiter geführt und mit etlichen Neuauflagen bis in die Neuzeit. Die ursprüngliche Ausgabe von 1844/45 wurde beständig verändert und erweitert auf über 700 Seiten: