Text von 1858

Allgemeine Regeln beim Kochen einer guten Bouillon

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Es gehört dazu ein sehr sauberes Kochgeschirr, in welchem nur Suppen gekocht werden. Vorzüglich sind dazu glasierte oder auch gut verzinnte Kochgeschirre zu empfehlen, hat aber das Zinn etwas gelitten, so erhält die Bouillon eine Art von Kupfergeschmack und ist zugleich der Gesundheit sehr nachteilig.

Das Fleisch zur Suppe ist am besten ganz frisch. Wird mehr auf eine kräftige Bouillon als auf ein saftiges Stück Fleisch Rücksicht genommen, wie es bei einem solchen Gesellschaftsessen, wo das Suppenfleisch nicht zur Tafel kommt, oft der Fall ist, so nehme man ein Stück aus der Kluft (Hinterviertel) ohne Fett und Knochen, wobei dann weniger nötig ist und welches, so trocken es auch sein mag, doch zweckmäßig benutzt werden kann, wie z B mit gekochtem, fetten Schinken oder Speck, roh wie gekocht, fein gehackt zu gewöhnlichen Frikadellen oder zu Panhas (siehe Fleischspeisen), welches ein sehr gutes und billiges Gericht für einen gewöhnlichen Tisch ist.

Soll aber das Fleisch nach der Suppe oder als Beilage gegeben werden, so ist ein durchwachsenes Stück vorzuziehen und eignet sich dazu jedes Rippenstück, besonders die Bei- oder Nachbrust. Man tut wohl, für den täglichen Tisch die Rippen vorher einknicken und eine Knochen-Beilage in einige Stücke zerhauen zu lassen.

Das Fleisch wasche man nur mit kaltem Wasser leicht ab und lege es nicht, wie es oftmals geschieht, in Wasser, was nur ein Ausziehen der Kraft zur Folge hat. Darnach klopfe man dasselbe gehörig, wie es bei Fleischspeisen näher angegeben ist. Es verliert das Fleisch durch das Klopfen und wenn’s mit kochendem Wasser auf’s Feuer gefegt wird, eben nicht an Kraft, wird aber bedeutend milder und saftiger.

Beim Aufsetzen des Fleisches gebe man sogleich die nötige Quantität Wasser, dazu weil durch Nachschütten von Wasser die Suppe verliert, sollte man aber durch unvorhergesehene Fälle dazu genötigt sein, so nehme man kein kaltes, sondern kochendes Wasser. Auch muss sofort das Salz dazu gegeben werden. Das Fleisch nimmt nur in der ersten Stunde des Kochens das Salz auf, späteres hinzugeben des Salzes würzt nur die Suppe. Doch sei man bei der Anwendung nicht zu freigebig, es kann wohl etwas zugegeben, nicht abgenommen werden, und eine versalzene Suppe macht der Köchin keine Ehre. Sie zeugt von Unkunde oder Unachtsamkeit.

Auch darf man das gute Abschäumen nicht als Nebensache betrachten. Zu diesem Zwecke ist es notwendig, dass die Suppe auf raschem Feuer zum Kochen gebracht werde, weil gerade dadurch der Schaum sich zusammenzieht, wo derselbe im andern Falle der Bouillon mitgeteilt wird und nicht abgenommen werden kann.

Zugleich aber darf man den Zeitpunkt nicht vorübergehen lassen, wo der Schaum sich hebt, weshalb man wohl tut, vorber den Schaumlöffel zur Hand zu legen. Sollte der Schaum durchgekocht sein, so schütte man etwas kaltes Wasser hinzu, wodurch dieser einigermaßen wieder hervorkommt. Auch kann das Fleisch zur Suppe statt mit kaltem Wasser auf’s Feuer gesetzt, in kochendes Wasser gelegt werden, wodurch dasselbe wie gesagt saftiger und wenigstens 1/2 Stunde früher weich wird.

Der Schaum bleibt zwar größtenteils im Fleisch, doch ist bekanntlich derselbe ja nichts anderes als Eiweißstoff, keine Unreinigkeit und wird ebenso wenig beim Braten und Schmoren des Fleisches entfernt. Eine feingeschnittene Zwiebel nach dem Abschäumen zur Bouillon gegeben, vermehrt die Kraft. Sowohl Bouillon als Fleischsuppe muss fest zugedeckt nicht stark kochen und niemals den Deckel berühren, aber auch nicht aus dem Kochen kommen, wodurch das Fleisch saftiger und die Suppe kräftiger wird. Nach einer Stunde Kochens gebe man zur Vorsicht die Bouillon durch ein reines Haarsieb, spüle das Stück Fleisch,  woran sich oft etwas Schaum setzt, eben ab, bringe solches mit der Bouillon, welche langsam vom Bodensatz abgeschüttet wird, in dem ebenfalls umgespülten Topfe wieder auf’s Feuer und gebe das bestimmte Wurzelwerk hinein.

Sellerieknollen in passendem Maße in einer Fleischsuppe gekocht, geben derselben einen angenehmen Geschmack, sollte man aber ungewöhnlich reichlich davon wünschen, so ist es anzuraten, solche vorher in Wasser beinahe gar zu kochen und dann erst in die Suppe zu geben, damit der Selleriegeschmack nicht zu stark hervortrete. Besonders vermeide man zu viel Suppenkräuter namentlich Sellerieblätter in einer kräftigen Fleischsuppe zu kochen, sie benehmen derselben die Kraft und alles Feine.

In einer schwachen Fleisch- und Kartoffel-Suppe abe sind solche Kräuter ganz passend, Petersilien und Scorzoner-Wurzeln (Schwarzwurzeln) kann man sogleich nach dem Abklären der Fleischbrühe hineingeben. Sie bedürfen zum Weichwerden ungefähr 2 bis 2 1/2 Stunden, Sellerieknollen 1 1/2 Stunden. Porree und Spargel 1 Stunde. Wie das Wurzelwerk geschnitten, wird ist im Abschnitt A Nr. 56 nachzusehen.

Will man etwas Mehl zum Binden einer Fleisch und Kartoffel Suppe anwenden, so muss dies notwendig mit Butter gelb geschwitzt werden, jedoch kann man auch statt dessen etwas Mehl mit frischer Butter kneten, ein Klößchen davon aufrollen und solches, nachdem die Brühe durchgesiebt ist, sogleich hineinwerfen. Es löst sich dies völlig auf, macht die Suppe angenehm und sämig, ersteres hat aber den Vorzug, da es der Suppe einen kräftigeren Geschmack mitteilt.  Man hüte sich jedoch, rohes Mehl an Fleisch-Suppe zu rühren, was diese, ja selbst eine gewöhnliche Kartoffelsuppe, verdirbt.

Wenn die Bouillon recht kräftig gekocht wird und mehrere Gerichte folgen, so kann man sie klar geben, soll aber wenig Fleisch dazu angewendet werden, so tut man jedenfalls besser, folche mit Perlgraupen oder Reis zu binden, der Reis aber musss gut abgebrüht werden- Sago oder Figuren-Nudeln wendet man gewöhnlich bei einer kräftigen Bouillon an.

Von Perlgerste und Reis kann man für 4 Personen, wenn die Suppe nach Nr 6 gekocht wird und etwas sämig sein soll 3 Loth oder 2 gehäufte Esslöffel rechnen, von Sago oder Figuren-Nudeln zu einer klaren Bouillon die Hälfte. Perlgraupen und echten Sago lässt man 2 1/2 – 3 Stunden, Reis 1 – 1 1/4 Stunde, Kartoffel-Sago (an den kleinen runden Körnchen zu erkennen) 3/4 – 1 Stunde, Figuren-Nudeln 1/2 Stunde in der Suppe kochen.

Sollen Klöße in die Bouillon oder Suppe gegeben werden, so ist es besser, das Fleisch vorher heraus zu nehmen. Nachdem das Suppenfleisch auf die bestimmte, heiß gemachte Schüssel gelegt worden, gebe man 2 –  3 Esslöffel Suppe darüber und darnach etwas fein gestoßenes Salz.


Dieses Rezept in:

(1858)

Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ von Henriette Davidis war der Kochbuchklassiker des 19. Jahrhunderts, nach ihrem Tode unter anderem von Luise Holle weiter geführt und mit etlichen Neuauflagen bis in die Neuzeit. Die ursprüngliche Ausgabe von 1844/45 wurde beständig verändert und erweitert auf über 700 Seiten: