Text von 1926

Schweinefleisch

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Das Schweinefleisch, dieses auf die mannigfaltigste Art verwendbare Fleisch, würde den ersten Rang unter den Fleischarten einnehmen, wenn es nicht neben seinen vielseitigen Vorzügen auch große Mängel hätte. Dass das Schweinefleisch viel Gesundheitsschädliches hat, sehen wir schon aus dem mosaischen Verbot, welches vor mehr als 2000 Jahren den Juden den Genuss desselben verbot, weil es, besonders im heißen Klima, leicht nachteilig auf die Gesundheit wirkt. Erwägt man aber die vielfachen Vorteile, welche der Gebrauch des Schweinefleisches, des Specks, des Schmalzes, der Würste, des geräucherten und gepökelten
Fleisches der Volkswirtschaft gewährt, so muss man einräumen, dass das Schweinefleisch ungemein zu schätzen ist.

Besonders aber ist den Engländern und Franzosen zu danken, welche durch Musterwirtschaften und Fachschriften die Kenntnisse der richtigen Zucht und Mästung und der damit zusammenhängenden, durchaus nicht unwichtigen Pflege dieses so nutzbaren Tieres in weiten Kreisen verbreiteten. Das Fleisch von Schweinen, deren letzte Lebenstage durch den Genuss von Milch versüßt wurden, ist besonders gut. Zwar wird das Schwein bei Kartoffelmästung fetter, bekommt aber minder kräftiges Fleisch. Eicheln und Buchen machen das Fleisch tranig. Auch bei diesem Tier gibt es verschiedene Klassen in Ansehung des Fleischwertes.

  • Das vorzüglichste Fleisch geben halb- und dreivierteljährige Schweine und -Sauen, die gemästet sind.
  • Die zweijährigen schlachtet man meist des Speckes und Schmalzes wegen, wo dann nur wenig, meist nur der Schinken, als Fleisch genossen wird. Eine besondere Delikakesse finden Feinschmecker an den jungen Schweinchen, welche, noch saugend, nur Muttermilch genießen und Spanferkel genannt werden.

Das geringe Schweinefleisch wird beim Kochen rötlich und hat gelbliches, leicht flüssiges Fett. Gutes Schweinefleisch gibt einen weißen Braten, der Speck ist fest, kernig und von weißer Farbe.

Das frische Schweinefleisch wird auf keiner Tafel gering geachtet, dagegen steht das gesalzene und geräucherte überall in gutem Ansehen und wird in der feinen Küche vielfach verwendet.


Dieses Rezept in:

(1926)

Lina Morgenstern (aus dem Kochbuch)

Auf etwa 800 Seiten bietet Lina Morgensterns illustriertes  Kochbuch an die 2500 Rezepte, darüber hinaus eine Kochschule mit sinnvollen Anregungen zu Kücheneinrichtung, Einkauf, Ernährung.

„Da der Geschmack der Geist der Kochkunst ist, werden diejenigen den meisten Nutzen von meinem Buche haben, welche nicht mechanisch nach den Rezepten bereiten, sondern abschmecken, prüfen und nach der gegebenen Anleitung je nach ihren Verhältnissen und Mitteln auch zu verändern verstehen.“