Text von 1858

Woran frische Heringe zu erkennen sind

Vom Schneiden und Entgräten derselben

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Frische Heringe haben weder einen Tran- noch Fischgeruch, die Augen liegen nicht tief und das Fleisch ist weiß. Die ersten Heringe sollen zwar nicht ausgenommen auch nicht abgespült werden, ich stimme indes nicht mit ein, abgezogen werden sie jedoch nicht.

Ältere Heringe lege man, je nachdem sie mehr oder weniger salzig sind 2, 3 – 6 Stunden an einem kalten Ort in ganz kaltes Wasser oder in süße Milch, vorher aber müssen sie ausgenommen und gut abgewaschen sein. Alsdann wird der Häring auf ein Küchenbrett gelegt, mit einem scharfen Messer oben an beiden Seiten des Rückens, vom Kopf bis zum Schwanz hin, die Haut durchgeschnitten, wobei aber das Fleisch unversehrt bleiben muss und darnach die Haut abgezogen, doch darf dabei das Fleisch auf keine Weise verletzt werden.

Ist der Häring nun abgezogen, so wird ein feines Streifchen am Leib herunter abgeschnitten, nochmals abgespült, mit der Hand das Wasser abgestreift, auf das abgespülte Küchenbrett gelegt und ganz schräg nach Gefallen sehr fein oder fingerdick geschnitten. Im ersten Fall wird der Kopf auseinander gebogen, auf die bestimmte Schüssel gesetzt und die feinen Scheibchen, die runde Seite nach außen, zu beiden Seiten schräg daran gelegt, und zwar nach der Reihenfolge wie sie geschnitten sind, bis der Schwanz den Schluß bildet. So schön die Heringe auf solche Weise gelegt werden können, so finde ich doch, dass sie appetitlicher aussehen, wenn weniger Kunst dabei angewandt worden. Man wird sicher ohne Weiteres mich verstehen.

Im zweiten Fall, nachdem der Hering ganz schräg zu dicken Scheiben geschnitten ist, wird derselbe so auf die Schüssel gelegt, dass er ganz seine vorige Gestalt wieder einnimmt und nur eine Seite zu sehen ist. Es können zwei bis drei auf eine Schüssel gelegt werden. Der Rand der Schüssel wird mit Petersilienblättchen verziert.  Einzelne Heringe legt man auch wohl auf Dessertteller, wo sie alsdann eine runde Form erhalten.

Zum Butterbrot werden die Heringe entgrätet wie folgt: Es wird ein Schnitt am Rückgrat herunter gemacht, der Hering beim Schwanz durchgerissen, wobei mit dem Daumen nachgeholfen werden muss. Das Fleisch wird alsdann in Form der Sardellen geschnitten, schrägwinkelig auf ein Tellerchen gelegt und mit feinem Öl und etwas Essig übergossen.


Dieses Rezept in:

(1858)

Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ von Henriette Davidis war der Kochbuchklassiker des 19. Jahrhunderts, nach ihrem Tode unter anderem von Luise Holle weiter geführt und mit etlichen Neuauflagen bis in die Neuzeit. Die ursprüngliche Ausgabe von 1844/45 wurde beständig verändert und erweitert auf über 700 Seiten: