Text von 1858

Kartoffelmehl wozu?

Über die richtige Anwendung des Kartoffelmehls

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So sehr ich das Kartoffelmehl zur guten Zubereitung mancher Speise für unentbehrlich halte, so sehr habe ich mich überzeugt, dass manche durch unrichtige oder übertriebene Anwendung desselben die Speisen zum Mehlkleister machen, weshalb ich es für nötig halte, über den richtigen Gebrauch einige Worte zu sagen.

Das Kartoffelmehl dient vorzüglich als Bindungsmittel zu Kraft- und Bratensaucen, doch dürfen sie dadurch nicht dicklich gemacht werden. Ferner ist solches beim Kochen getrockneten Obstes zu empfehlen, indem zuletzt sehr wenig mit kaltem Wasser zu der Obstbrühe gerührt wird, etwa so viel als solche durch stärkeres Einkochen an Rundung gewinnen würde.

Auch kann man es mit Nutzen beim Kochen der Gemüse anwenden, indem man, wenn das Gemüse gar ist, eine Kleinigkeit mit etwas kaltem Wasser angerührt (ein Teelöffel voll reicht schon für mehrere Personen hin) über das Gemüse schüttet, bevor es angerichtet wird.  Die Brühe wird dadurch gebunden und das Gemüse saftiger, als wenn ersterer durch starkes Einkochen ihre wässerigen Teile benommen werden. Doch rate ich allen ungeübten lieber zweimal eine Kleinigkeit zu einer Speise zu rühren, als ihr zu viel Konsistenz zu geben.

Zur Bereitung der Blancmangers, Schaumsuppen und Schaumsaucen nehme man jedoch kein Kartoffelmehl, sondern jedes andere feine Mehl, weil Kartoffelmehl das Schäumen verhindert und also diese Speisen ganz und gar verdirbt.


Dieses Rezept in:

(1858)

Das „Praktische Kochbuch für die gewöhnliche und feinere Küche“ von Henriette Davidis war der Kochbuchklassiker des 19. Jahrhunderts, nach ihrem Tode unter anderem von Luise Holle weiter geführt und mit etlichen Neuauflagen bis in die Neuzeit. Die ursprüngliche Ausgabe von 1844/45 wurde beständig verändert und erweitert auf über 700 Seiten: